Die Entwicklung der Wissenschaft
Geschichte, Gegenwart und Ausblick - eine historische Perspektive
Most courses on Western civilization start with readings from
Homer, selections from Greek philosophers like Pythagoras, Socrates,
Plato, and Aristotle, and works by modern classical historians extolling
the glories of Pericles' Golden Age of Greece ...
Occasionally, browsing through supplementaiy readings, we may
find out that Pythagoras was taught ethics by a certain Themistoclea,
a priestess of Delphi, or that Diotema, a priestess of Mantinea, taught
Socrates. We might even stumble across the seemingly curious
information that leaders from all over the Greek world traveled to Delphi,
where a priestess called the Pythoness advised them on the most
important social and political questions of their time.
Riane Eisler: The Chalice and the Blade
Geschichte
Bis zum sechsten vorchristlichen Jahrhundert war unsere westliche
(damals griechische) Kultur in Mythen und Legenden gefangen.
Praktisches Wissen war zwar vorhanden, es fehlte aber die Kenntnis
der Zusammenhänge, eine Systematik und - vor allem - eine
anerkannte Methode zur Erlangung von gültigem Wissen. Götter
und Halbgötter nahmen die Rolle ein, die heute die Naturgesetze
spielen. Zahlreiche Priester dienten in Tempeln und Heiligtümern
einer Vielzahl von Gottheiten. Die Menschen suchten durch Opfer und
Zeremonien die Gunst bestimmter zuständiger, ggfs. auch
rivalisierender Gottheiten zu erlangen. Dies geschah freiwillig, mit
Ausnahme bestimmter staatlich angeordneter Riten, die dem
göttlichen Schutz des Staates dienen sollten. Der
persönliche (Aber)-Glaube war aber Privatsache, es galt auch in
diesen Dingen das Recht der freien Meinungsäußerung.
Im sechsten vorchristlichen Jahrhundert geriet die bis dahin
gültige Überlieferung wegen offensichtlicher
Widersprüche und Unzulänglichkeiten zunehmend in die
Kritik. In den folgenden zwei Jahrhunderten entstand aus diesem
kritischen, vernunftbetonten Ansatz die klassische griechische
Wissenschaft: Thales, Pythagoras, Heraklit u. v. a.. Diese war schon
recht hoch entwickelt, war jedoch hauptsächlich
"schöngeistig" orientiert. Sie konnte sich daher keine
nennenswerte technische und ökonomische Basis schaffen und damit
weder ihre Existenz rechtfertigen noch sich weiterentwickeln.
Letztlich versank sie in philosophischen Spekulationen und
Streitereien. Diese wurden immer mehr religiös geprägt und
schließlich - acht Jahrhunderte später unter den
Römern - zugunsten des Christentums entschieden.
Dieses geht wie der Islam auf jüdische Traditionen zurück
und ist daher mit der Idee der "Auserwähltheit" und
des "einzig wahren Glaubens" behaftet. Im Mittelalter
entwickelte sich daraus der unbedingte Autoritätsanspruch der
kirchlichen Hierarchie und die Autoritätshörigkeit der Gläubigen.
In diesem Umfeld entwickelte sich schließlich die moderne
Wissenschaft. Ihre Basis sind die Empirik (Erfahrung und Beobachtung)
und die Logik (gesetzmäßige Schlußfolgerung). Die
Ursache ihres Erfolgs ist eigentlich ein Geburtsfehler: Um den
Konflikt mit den kirchlichen Autoritäten zu minimieren,
klammerte sie den religiös behafteten "subjektiven"
Bereich aus und konzentrierte sich auf "objektive"
Tatbestände. Durch die daraus resultierenden technischen und
ökonomischen Erfolge trat sie als neue Autorität quasi
neben die Kirche. Diese verlor zwar weitgehend ihre weltliche Macht,
behielt aber ihre Autorität über die "Seele" des Menschen.
Gegenwart
In unserer Zeit können wir folgende Entwicklungen feststellen:
-
Die moderne Wissenschaft sieht sich zunehmend mit dem Problem
konfrontiert, daß eine "objektive" Realität gar
nicht existiert. Die Beschreibung der realen Welt ohne
Berücksichtigung des "subjektiven" Beobachters erweist
sich in vielen Bereichen als unmöglich. Gleichzeitig wird ein
lange ignoriertes Problem der modernen Wissenschaft immer
drängender: die Frage nach der Quelle der Erkenntnis. Es ist
nämlich nicht so, daß die "Naturgesetze" einfach
da sind und von den Menschen "gefunden" werden. Sie werden
- als Hypothesen oder Modellvorstellungen - von Menschen geschaffen
und dann im Experiment bestätigt (oder widerlegt). Sie sind also
zuallererst ein Produkt "subjektiver" Kreativität und
nur insofern "objektiv", als sie sich zur Erklärung
"objektiver" Beobachtungen als dienlich erwiesen haben.
-
Verschiedene Aspekte des menschlichen Bewußtseins werden
zunehmend mit "objektiven" Methoden erforscht (s. z. B. Tor
Norretranders: Spüre die Welt - Die Wissenschaft des
Bewußtseins, rororo). Die Lehre von der Seele (Psychologie) ist
aber bisher über den Zustand systematisierter Mythen- und
Legendenbildung noch nicht wesentlich hinausgekommen.
-
Die Autorität, sowohl der Wissenschaft wie auch der Kirche,
nimmt ab. In beiden Bereichen breiten sich zunehmend Aberglaube und
"alternative" Mythen, Legenden und Religionen aus. Der
Sammelbegriff hierfür heißt Esoterik.
Diese Situation erinnert in gewisser Hinsicht an den Stand der
griechischen Kultur unmittelbar vor der Entstehung deren Wissenschaft
(s. o.). Die Ursache liegt in der geschichtlich begründeten
Kluft zwischen Kirche und unserer modernen Wissenschaft: Hier die
Wissenschaft, die sich beharrlich weigert, die Grenzen der
"objektiven" Betrachtung zu überschreiten, und den
"subjektiven" Beobachter aus ihrem Blickfeld
ausschließt, dort die Kirche, die im Namen biblischer (und
weniger biblischer) Autorität die Bedeutung von Empirik und
Logik bestreitet. Und dazwischen eine ständig wachsende Schar
von Menschen auf der Suche - nach dem Sinn, nach sich selbst, nach
Gott und nach der Erklärung für ihre (subjektiven!) Erfahrungen.
Ausblick
Der nächste Schritt könnte die Begründung einer neuen
Wissenschaft sein. Einer Wissenschaft, die das erlebende Subjekt zum
Gegenstand der Forschung macht - die
Wissenschaft vom Bewußtsein!
Wenn man ihn so betrachtet, legt Gödels Beweis (des
Unvollständigkeitssatzes, Anm. d. Verf.) nahe ... , daß es
eine Geist-/Gehirn-Betrachtungsweise auf hoher Stufe geben
könnte, die Begriffe verwendet, die auf niedrigeren Stufen nicht
in Erscheinung treten, und daß diese Stufe eine erklärende
Kraft besitzen könnte, die es auf tieferer Stufe nicht gibt,
noch nicht einmal im Prinzip.
Douglas Hofstadter: Gödel, Escher, Bach |
www.forum.reality-check.de |